Der Teufelskreis der Dominanztheorie
Dominanz provoziert Widerstände und gefährliche Situationen
Leider gehen immer noch sehr sehr viele davon aus, dass Pferde funktionieren müssen und bestimmte Lektionen oder Übungen pauschal immer ausführen können und müssen. Jederzeit und an jedem Ort, unabhängig von der Tagesform und den Umgebungsbedingungen. Also unabhängig davon, was das Pferd im Moment körperlich und psychisch überhaupt leisten kann. Schließlich gehört sich das so, dass man z.B. am Putzplatz oder beim Hufschied ruhig stehen bleibt oder bestimmte Lektionen auf Kommando sofort ausführt. Wenn das dann nicht funktioniert, wird dem Tier oft unterstellt, dass es "dominant ist", "keine Lust hat und seinen Menschen veräppelt" und damit im Grunde widersetzlich ist.
In Verbindung mit der Anwendung der inzwischen von Wissenschaftlern längst widerlegten Dominanztheorie geht der Teufelskreis los. Der zugehörige Mensch fühlt sich von seinem Pferd ungerecht behandelt, da das Pferd vermeintlich gegen ihn arbeitet. Nach der Dominanztheorie muss man jedoch der Chef sein und sich damit bei seinem Pferd durchsetzen. Aus diesem Grund wird deshalb Druck aufgebaut, das Pferd bestraft oder gar Gewalt angewendet.
Dominanz provoziert Widerstände und gefährliche Situationen
Der Druck oder die Strafe wird in dieser Situation vom Pferd - zu Recht - als ungerecht empfunden. Durch das Verhalten des Menschen werden dadurch weitere Widerstände provoziert. Je nach Situation und Stresstyp des Pferdes kann der Widerstand unterschiedlich ausfallen. Es gibt vier mögliche Stressreaktionen, die bei allen Lebewesen (also auch bei uns Menschen) gleich sind:
- Fight - Kampf
- Flight - Flucht
- Freeze - Erstarren
- Flirt - alternatives Verhalten anbieten
Und je nach Stressreaktion, die das Pferd zeigt, fühlt sich der Mensch unter Umständen noch weiter angegriffen und deshalb verstärkt seinen Druck, die Strafe oder die Gewalt. Schließlich muss man sich durchsetzen und dem Pferd mal deutlich klar machen, wer hier das Sagen hat. Woraufhin das Pferd mit einer noch stärkeren Stressreaktion reagiert... Auf diese Weise kann man gefährliche Situationen regelrecht provozieren!
Der pferdefreundliche Weg
Der pferdefreundliche Weg ist es, das Nein des Pferdes zu respektieren, auf das Pferd einzugehen und Ursachenforschung zu betreiben. Warum kann mein Pferd die Übung jetzt im Moment nicht ausführen? Vielleicht wurde ihm die Übung nie richtig erklärt, vielleicht hat es die Übung noch nicht generalisiert oder vielleicht hat es gerade körperliche Beschwerden, so dass es die Übung im Moment gar nicht ausführen kann, oder...
Wenn ich die Ursache gefunden habe, kann ich daran arbeiten. Und ja, dieser Weg ist oft mühsam, aufwändig und/oder teuer, falls z.B. zusätzliche Tierarztkosten anfallen. Dafür arbeite ich mit meinem Pferd und nicht gegen mein Pferd. Und das ist es doch, worauf es ankommt: das Miteinander.
Und es gibt noch einen weiteren Grund, den pferdefreundlichen Weg zu wählen. Viele Situationen im Umgang mit dem Pferd würden gar nicht eskalieren, wenn man von dem Pferd nur fordern würde, was es im Moment leisten kann und auch ein leises Nein respektieren würde. Der Respekt und die Akzeptanz dem Pferd gegenüber dienen also nicht nur dem pferdefreundlichen Umgang und dem Miteinander, sondern auch der Sicherheit aller Beteiligten.
Zum Weiterlesen
- ISES position statement on the use/misuse of leadership and dominance concepts in horse training Positionspapier der Intarnationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaft (ISES)
- Das kann der doch! ... Der veräppelt dich nur Ein Blogbeitrag von Tanja von Wege zum Pferd, der zum Nachdenken anregt
- Dominanz versus Positive Verstärkung Es geht auch ohne Druck - in den meisten Fällen sogar besser! Vom Werdegang eines Pferdes. Ein Blogbeitrag von Babette Teschen.
- Empfehlenswert sind auch die Bücher und Beiträge von Marlitt Wendt
7. Juli 2023 von Conny
Bild überarbeitet von OpenClipart-Vectors from Pixabay
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