Freiwilliges Mitkommen des Pferdes zum Training
Wie du bestimmt schon mitbekommen hast, lege ich sehr viel Wert darauf, dass die Pferde im Training gerne und vor allem freiwillig mit dabei sind.
Freiwilligkeit bedeutet im Umgang mit unserem Pferd, dass das Pferd die Möglichkeit hat, "nein" zu sagen und dass das völlig in Ordnung ist. D.h. dass es dann auch keine unangenehmen Konsequenzen für das Tier hat, wenn es "nein" sagt.
Die Freiwilligkeit geht für mich schon dann los, wenn ich mein Pferd zum Training einlade. Richtig, ich schreibe bewusst "einladen" und nicht "holen". Eine Einladung ist ein Angeobt. In diesem Fall das Angebot, jetzt gemeinsam etwas zu unternehmen. Das bedeutet für mich, dass mein Pferd gerne kommen kann, wenn es möchte. Es muss diese Einladung jedoch nicht annehmen. Wenn ich mein Pferd dagegen "holen" gehe, impliziert das, dass das Tier immer mitkommt, also im Zweifel auch mitkommen muss. Das hat manchmal nichts mehr mit freiwillig zu tun.
Wie sieht die Einladung zum Training aus?
Meine Einladung zum Training ist sehr einfach: wenn ich im Stall und bereit bin, schaue ich mal, wo mein Pferd ist oder wo ich es vermute und mache mich mal auf den Weg in diese Richtung. Wenn Mira mich nicht schon kommen sieht, rufe ich sie. Das ist alles. Dann heißt es, die Reaktion auf die Einladung abzuwarten.
Die Antwort auf die Einladung: ja, nein, vielleicht?
Bis jetzt habe ich auf diese Art der Einladung im Wesentlichen die folgenden Antworten erhalten:
- Mira nimmt den Kopf hoch, schaut mich an und kommt mir entgegen: Volltreffer, das ist ein eindeutiges "Ja!".
- Sie nimmt den Kopf hoch, schaut mich an und bleibt stehen: Das ist dann mehr so ein "vielleicht, ich weiß noch nicht genau".
- Mira nimmt den Kopf hoch, schaut etwas zu mir rüber und macht dann mit der Tätigkeit weiter, die sie vorher gemacht hat (z.B. Heu fressen): Das ist ein "nein". Sie hat mich gesehen, hat jetzt aber gerade keine Zeit.
- Mira ignoriert mich komplett, manchmal bewegt sie sich z.B. beim Grasen auch von mir weg oder versenkt den Kopf noch tiefer in der Heuraufe. Auch in diesem Fall nimmt sie die Einladung nicht an. Sie hat jetzt nicht nur keine Zeit, sondern überhaupt gar keine Zeit.
Wie gehe ich mit einem "vielleicht" um?
Bei einem "vielleicht" gehe ich näher auf Mira zu und warte dann, was passiert. Wenn sie dann kommt oder mitkommen möchte, wird es zum "ja". Wenn sie weiter stehen bleibt oder sich gar umdreht, wird es zum "nein".
Wie gehe ich mit einem "nein" um?
Wenn Miras Antwort "nein" lautet und ich sie nicht unbedingt holen muss, dann respektiere ich das. Ich gehe dann erst mal etwas anderes machen und frage 10min später oder so nochmal an. Vielleicht ist z.B. die Heuraufe bis dahin wieder zu und ich bekomme dann ein "ja".
Wenn ich wieder ein "nein" bekomme, dann mache ich nur einen kurzen Check ob alles ok und sie gesund ist. Und dann kann Mira weiter ihren eigenen Beschäftigungen nachgehen.
Zusätzlich versuche ich herauszufinden, warum ich das "nein" bekommen habe und was ich dagegen unternehmen kann:
- Vielleicht habe ich meinen Besuch heute ungünstig getimt und ich komme gerade zur Koppelzeit. Wenn die Pferde nur stundenweise draußen sind, ist die Motivation, die Koppel für das Training im Stich zu lassen, verständlicherweise nicht allzu hoch. Dann versuche ich, das nächste mal zu einer anderen Uhrzeit zu kommen, wenn ich weiß dass die Pferde im Paddock sind.
- Vielleicht waren wir die letzten Tage auch viel unterwegs und haben viel gemacht. Dann möchte mein Pferd vielleicht einen Tag Pause einlegen und ist dafür am darauffolgenden Tag wieder voll motiviert.
- Vielleicht bin ich gerade genau zur Ruhephase gekommen. Auch hier versuche ich, das nächste mal zu einer anderen Uhrzeit zu kommen. Pferde legen oft am späten Vormittag ab ca 11 Uhr nochmals eine ausgedehnte Ruhephase ein. Vielen Pferden ist diese sehr wichtig und wir sollten das auch respektieren.
- Vielleicht ist auch gerade ein neues Pferd in die Herde gekommen und bringt Unruhe mit rein. Gerade bei Stuten, die dann oft noch rossig werden, ist die Motivation zum Training in so einer Phase sehr gering.
- Vielleicht hat mein Pferd schon gesehen, dass der Tierarzt auf den Hof gekommen ist. Aus Sorge darüber, dass etwas Unangenehmes passieren könnte, möchte es lieber nicht mitkommen. In dem Fall würde ich in der nächsten Zeit den Schwerpunkt im Training mehr auf das Medical Training legen.
- ...
Es gibt aus Pferdesicht sehr viele Gründe, eine Einladung zum Training nicht anzunehmen. Wichtig ist, dass wir als Mensch das neutral sehen und unsere Beziehung mit unserem Pferd deshalb nicht gleich komplett in Frage stellen. Wir brauchen auch keine Angst davor zu haben, dass unsere Pferde dann gar nichts mehr mit uns machen wollen, wenn wir ihnen diese Entscheidungsmöglichkeit geben. Wenn es meinem Pferd mit mir im Training gut geht und es Freude daran hat, gibt es keinen Grund dafür, dass es ständig "nein, danke" zu den Trainingseinheiten sagt. Aus meiner Erfahrung heraus ist eher das Gegenteil der Fall: Pferde freuen sich, wenn ihre Menschen kommen und mit ihnen etwas Spannendes unternehmen. Und wenn ihr wirklich einen "nein-Tag" erwischt: auch wir selber haben schließlich Tage, an denen wir mal keine Zeit fürs Pferd haben, stimmts? Morgen sieht es oft schon wieder ganz anders aus.
9. Dezember 2022 von Conny
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